Zuwandererproblem ohne Hilfe von Bund und Land nicht lösbar
Magistrat fordert vom Land Unterstützung – Starker Zuzug im Südosten der Stadt
Rumänen und Bulgaren, die der Armut in ihrem Heimatland entfliehen,
stranden seit einem Jahr zunehmend auch in Hanau, vornehmlich im
Südosten der Stadt. "Um die damit einher gehenden sozialen Problemen
nur annährend bewältigen zu können, brauchen wir zwingend die
Unterstützung durch Bund, Land und die Europäische Union", betont
Sozialdezernent Axel Weiss-Thiel. Der Magistrat schließt sich der
Forderung des Deutschen Städtetages nach Finanzhilfen an, damit die
Kommunen die schwierige Integrationsarbeit überhaupt leisten können.
Parallel dazu hat Weiss-Thiel die hessische Kultusministerin Nicola Beer
in einem persönlichen Schreiben um Unterstützung gebeten, damit der
Stadtteil Südost nicht aus der Balance gerät.
Von den Zuständen in der Nachbarstadt Offenbach, wo rund 4700 Menschen
aus Rumänien und Bulgarien leben, sei Hanau noch weit entfernt, so
Weiss-Thiel. Derzeit sind rund 350 Menschen mit rumänischem Pass in der
Daimlerstraße gemeldet. Seit dem Beitritt Bulgariens und Rumäniens
zur EU konzentriert sich die Zuwanderung in Ballungsräumen wie dem
Rhein-Main-Gebiet. "Wir sind konfrontiert mit Menschen", so der
Stadtrat, "die nur eine geringe Bildung haben, kein Deutsch sprechen
und aus einem Kulturkreis kommen, der zur Abschottung neigt. Die
Kontaktaufnahme gestaltet sich ausgesprochen schwierig."
Als sich im Frühjahr 2012 abzeichnete, dass sich die Wohnblocks in der
Daimlerstraße zu einem Anlaufpunkt für rumänische Armutsflüchtlinge
entwickeln, wurde eine Ämter übergreifende Arbeitsgruppe gebildet. Dazu
gehören die Ausländerbehörde, das Ordnungsamt, die Bauaufsicht, der
Fachbereich Bildung, Soziale Dienste und Integration, der Eigenbetrieb
Kindertagesbetreuung und das Staatliche Schulamt. Mit dem Sozialamt und
dem Gesundheitsamt des Main-Kinzig-Kreises steht die Stadt ebenfalls
in Kontakt, ebenso mit der Polizeidirektion Main-Kinzig, die eine eigene
Arbeitsgruppe für die Daimlerstraße installiert hat. Nach Aussage von
Hans Günter Knapp, dem Leiter der Polizeidirektion, ist die
Daimlerstraße derzeit kein Schwerpunkt der Kriminalität. Die Bewohner
respektierten die polizeiliche Autorität.
Die Bürgerinnen und Bürger, die in der näheren Umgebung der Blocks
wohnen, bewerten die Umständen nicht selten anders, weiß der Stadtrat
aus Gesprächen im Quartier. Er hatte im November gemeinsam mit Hans
Günter Knapp und Mitgliedern der Arbeitsgruppe zu einer Versammlung in
das Stadtteilzentrum Südost eingeladen. "Sie beklagen unter anderem den
Müll in der Daimlerstraße, Lärmbelästigungen und zunehmende
Kriminalität", fasst er die Stimmung zusammen. Stadt und Polizei
würden die Sorgen der Anwohnerinnen und Anwohner sehr wohl ernst nehmen.
"Wir müssen unser Instrumentarium im Umgang mit den vielen
südosteuropäischen Armutsflüchtlingen noch schärfen, denn bislang haben
wir in Hanau nur wenig Erfahrung mit dieser Bevölkerungsgruppe. Es fehlt
an Fachpersonal, das deren Sprache spricht und mit den kulturellen
Gepflogenheiten vertraut ist." Nicht nur in Hanau müsse das
entsprechende Know-how erst noch aufgebaut werden.
"Die Stadt fährt derzeit eine zweigleisige Strategie", erläutet
Weiss-Thiel. Zum einen setze sie alle ordnungsrechtlichen Instrumente
ein, damit deutsche Regeln und Gesetze eingehalten werden. "Dazu
gehört, dass wir die Vermüllung der Daimlerstraße nicht dulden." Das
Ordnungsamt ist zweimal täglich zur Kontrolle vor Ort. Da der
Eigentümer der Liegenschaft die Problematik in den meisten Fällen
ignoriere, so Weiss-Thiel, sehe sich der Eigenbetrieb Hanau Verkehr und
Entsorgung in der Pflicht, die Abfallberge zu entsorgen. Die Rechnung
erhält der Hausbesitzer.
Auf die Zusammenarbeit verschiedener Professionen ist die Stadt
angewiesen in ihren Bemühungen, die rumänischen Staatsbürger in die
Stadtgesellschaft zu integrieren. Angesichts der Sprachbarrieren ein
schwieriges Unterfangen, gibt Weiss-Thiel zu. Der Fokus der sozialen
Arbeit richtet sich deshalb gemeinsam mit dem EB Kindertagesbetreuung,
dem Schulverwaltungsamt und dem Staatlichen Schulamt auf die
Integration der Kinder. In der Anne-Frank-Schule sind die Kapazitäten
für die Seiteneinsteiger-Klasse vergrößert worden, in denen
Zuwandererkinder vor allem Deutsch lernen.
"Doch die Grundschule stößt zunehmend an räumliche, personelle und
sozialverträgliche Grenzen", berichtet der Stadtrat Kultusministerin
Nicola Beer in einem an sie persönlich gerichteten Brief. Die Schule
könne rund 30 Seiteneinsteiger ohne Deutschkenntnisse pro Schuljahr
räumlich und pädagogisch nicht mehr verkraften. Die Stadt finanziere
bereits seit Jahren eine Stelle für eine Sozialpädagogin, die das
engagierte Lehrerkollegium bei der Betreuung und Begleitung der Kinder
unterstützt, die überwiegend aus bildungsfernen und sozial
benachteiligten Schichten stammen. Derzeit richtet die Stadt im
Stadtteilzentrum Südost eine Ausweichklasse für rund 20 Schülerinnen und
Schüler ein, in der nach den Osterferien rumänische Mädchen und Jungen
der dritten und vierten Jahrgangstufe unterrichtet werden.
Vor dem Hintergrundgrund, dass die Konzentration der Zuwanderung aus
Südosteuropa eine weitere Belastung für den Stadtteil Südost darstellt,
bittet er Nicola Beer, sich beim Hessischen Wirtschaftsministerium
dafür stark zu machen, dass das Wohnviertel , wie bereits vor zwei
Jahren beantragt, in das Programm Sozialen Stadt aufgenommen wird. "Ich
bin davon überzeugt", so der Stadtrat, "dass es bei der Bewältigung der
aktuelle Problemlagen sehr hilfreich wäre."
Und auch beim Hessischen Städtetag wirbt er in seiner Funktion als
Vorsitzender des Sozialausschusses um Verbündeten. Für die nächste
Sitzung am 27. Februar hat er das Problem der Kommunen mit den
Zuwanderern aus Rumänien und Bulgaren auf die Tagesordnung setzen
lassen. (Pressemitteilung der Stadt Hanau)
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