Montag, 21. Mai 2012

die Wolken sind ihr Freund

Ein prüfender Blick auf die Instrumente. Ein letzter Test der Steuerung, dann heißt es Start frei und der Katapult beschleunigt den Segler auf 500 Meter Höhe. Am Steuer sitzt Susanne Schödel, zweifache Weltmeisterin in der 15 Meter Klasse, die nun ihren Titel bei den kommenden Titelkämpfen in Texas verteidigen will.

 Wenn das Wetter es erlaubt, sitzt die Frankfurterin, die ihren Flieger in Langenselbold stationiert hat, jedes Wochenende in ihrem weißen Gleiter und fliegt Strecke. Von Langenselbold über Neustadt und den Titisee im Schwarzwald zum Beispiel. 600 Km Nonstop. Im Segler wohlgemerkt. Streckenflug ist die Königsdisziplin im Segelsport, sagt Schödel, und hier kann sie auch einen besonderen Rekord vorweisen. Im November letzten Jahres flog sie Weltrekord. 1066 Km. So weit wie noch keine Frau vor ihr.  Dafür reiste sie eigens nach Bitterwasser in Namibia, ein Hot Spot für Rekordflieger. „Hier sind Flughöhen bis 5000 Meter möglich, weil dort eine andere Wolkenhöhe vorherrscht“, so Schödel. Zum Vergleich: In Deutschland fliegen Segler etwa bei der Hälfte der Höhe. Trotz bester Voraussetzungen wurde ihre Geduld auf eine lange Probe gestellt. In den drei Wochen Aufenthalt gab es nur einen Tag  an dem die Thermik stimmte. Denn nicht der Wind entscheidet über die Weite, sondern die thermischen Aufwinde. Jenes  Wechselspiel zwischen Hoch und Tiefs  mit seinen Schäfchenwolken und die aufsteigenden warmen Luftmassen über einem Feld oder an einem Hang. Schödels suchender Blick tastet sich daher bei jedem Flug entlang des Himmels. Ein kreisender Bussard ist ein untrügliches Zeichen für einen solchen Aufwind. Wolkenstraße nennt Schödel eine besonders gelungene Strecke, bei der sie mit ihrem Segler von einer Thermik zur nächsten springen kann, ohne umständliches Einkreisen um verlorene Höhe zurückzugewinnen. Kreisen kostet Zeit und die zählt auf der Jagd nach Rekorden und Bestmarken. Denn auch in Texas heißt es: Nur wer die vorgegebene Strecke als schnellstes zurücklegt gewinnt den Titel.

Eine gute Wettervorbereitung ist daher  das A und O. Wo sie die Strecke hinlegenkann, prüft Schödel, die auch eine Fluglehrerlizenz besitzt, bei ihren Trainingsflügen anhand der Daten. Wo sind die Frontsysteme, wie ist die Konvektion, welche Steigwerte sind vorausgesagt. Doch bei aller technischen Hilfe anhand meteorologischer Karten hat Schödel auch ein eigenes Messgerät. „Man muss auch ein Stück mit dem Hintern fliegen“, sagt sie, „und sich auf sein eigenes Gefühl verlassen“.

Manchmal, wenn auch selten, schaffen Segelflieger den Rückflug zum heimischen Flugplatz nicht. Dann heißt es: Außenlandung. Auf einem Acker, oder einer freien Wiese setzten die Piloten ihre weißen Flieger auf. Für Passanten mitunter ein Schreckenserlebnis: „Ist Ihnen etwas passiert?“, so die häufige Frage. Oder: „Ist Ihnen der Wind ausgegangen?“  Dann erklärt die Fluglehrerin die Sache mit der Thermik und das es keinen Wind braucht um Segelfliegen zu können. Nicht immer ist es leicht Fliegen und Arbeiten  zusammen zu bringen. „Da braucht es eine Menge Leidenschaft“, sagt Schödel, die im Hauptberuf als Geschäftsführerin des Susan G. Komen Vereins arbeitet, der sich für die Heilung von Brustkrebs engagiert.

Im Juni wird ihr Flieger verpackt und verschifft damit dieser rechtzeitig   zu den Wettkämpfen in Texas ankommt. Zuvor stehen noch die Schweizer Meisterschaften auf dem Terminplan. Vorbereitung unter Wettkampfbedingungen, sagt Schödel. Fliegen in den Alpen, gilt hier als besondere Herausforderung. Auch der Streckenrekord in Namibia  zählt bereits als Einstimmung auf die WM. Denn dort herrschten mit über 40 Grad Celsius ähnliche Temperaturen wie im heißen Texas. Bis zum Startschuss am 28. Juli will sie so noch möglichst viele Flugkilometer schaffen.  Der Blick gen Himmel gehört bei Schödel zum festen Ritual. Denn die Wolken sind ihr Freund.


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